Cadet WM 2019 – die zweite Woche
Während die Promos am Montagvormittag noch zur Vermessung mussten, konnten sich unsere Kinder mal ein wenig ausruhen und ein letztes Mal ihre Boote durchchecken. Kurz nach dem Mittag sammelten wir uns bei leichtem Wind auf dem Wasser zum „Practice Race“. Das ist eine Art Übungswettfahrt außerhalb der WM-Wertung, bei der Weltmeisterschafts- und Promo-Flotte separat starten und sowohl die Wettkampfleitung als auch die Segler nochmal für die folgenden Wettkampftage testen können. Ein weit verbreiteter Aberglaube besagt, wer beim „Practice Race“ unter die ersten Drei kommt, spielt anschließend bei der WM keine Rolle mehr. Deshalb fahren die WM Favoriten selten durchs Ziel. Jara und Mahela sind am Start super weggekommen und lagen bei Tonne 1 unter den ersten Booten. Die in Führung liegenden Belgier Dirix/Winand haben sich von dort gemeinsam mit einem Niederländer gleich Richtung Hafen aufgemacht, der Rest ist weitergefahren. Jara und Mahela haben sich weiterhin an der Spitze gehalten und bogen als 4. um die letzte Tonne vor dem Ziel. Dann erlebten wir ein Stehrennen, wie man es vom Bahnradsport kennt. Keiner wollte als erstes durchs Ziel. Irgendwann sind die ersten drei am Ziel vorbeigefahren. Jara und Mahela hatten sich nicht vorgenommen, Weltmeister zu werden und überquerten dann als erste die Ziellinie. Auch wenn 5 vorn liegende Boote freiwillig aufgegeben haben, war das doch eine tolle Leistung. Kiran und Balder wurden gute Neunte.
Zum Abend versammelten sich dann alle Teilnehmer und Betreuer in ihrer Teamkleidung an einem Straßenkreisel in Strandnähe und bildeten einen farbenfrohen Zug durch die Stadt in Richtung Hafen, wo die Eröffnung stattfinden sollte. Am lautesten waren wieder die Australier mit ihren „Aussie, Aussie, Aussie“ Rufen, so dass die davor laufenden Argentinier sich schon die Ohren zuhalten mussten. Aber auch das große deutsche Team stand dem kaum nach. Unten im Hafen angekommen wurden unterm Flaggenmast ein paar Reden geschwungen und die WM offiziell eröffnet und das war`s auch schon. Von der wenig inspirierten Eröffnung ohne Rahmenprogramm und Feier waren alle ein wenig enttäuscht.
Mit dem richtigen Start der Segelwettkämpfe am Dienstag änderten sich auch wieder die Windbedingungen und so hatten die Kinder gleich mit 4 bis 6 Windstärken zu kämpfen. Entsprechend positionierten sich die erfahreneren und schwereren der 62 Mannschaften im Vorderfeld, insbesondere die Engländer, aber auch die Sieger des diesjährigen Ostseecups in Warnemünde Vychowa/Winkler (CZE) und die Polen Kajeta/Roszkowski. Ihre Favoritenrolle unterstrichen Finsterbusch/Barone (ARG) und insbesondere Dirix/Winand (BEL), welche nach dem ersten Tag mit 13 Punkten in Führung gingen. Dagegen scheiterten die Zweiten der polnischen Meisterschaft Vasiljeva/Eliasina (RUS) an Wind und Wellen und büßten mit 61 eingefahrenen Punkten schon fast jede Chance auf den WM-Sieg ein. Erwartungsgemäß schwer taten sich dann auch unsere leichtgewichtigen Güstrower Crews. Jara und Mahela sammelten am ersten Tag schon 116 Punkte. Noch schlimmer erging es Kiran und Balder, welche nach zwei schwachen Läufen im Dritten nach Kenterung Hilfe beanspruchen mussten und so schon abgeschlagen auf dem 55. Platz landeten. Am besten mit den Bedingungen kamen die deutschen Vizemeister von 2018 Erpenbeck/Meyer zurecht, welche in 2 der 3 Wettfahrten immerhin einen 6. und einen 12. Platz verbuchen konnten.
Der zweite Wettkampftag begann mit kurzzeitig etwas geringerem Wind, welcher aber schnell auffrischte und zum Nachmittag doch wieder Böen von 20 kn erreichte. Beim ersten Start erwischte es Finsterbusch/Barone mit einem BFD, wobei eindeutig auch viele andere Boote über der Linie waren, aber von einer Disqualifikation verschont blieben. Die Wettkampfleitung tat sich an diesem Tag überhaupt schwer, eine vernünftige Startlinie auszulegen, so dass ein guter Start eher Glückssache blieb. Entsprechend sahen auch die Laufergebnisse aus. Dirix/Winand begannen mit einem 1. Platz, ließen dann einen 30. folgen und wurden im letzten Tagesrennen wieder 1., während Finsterbusch/Barone nach der Disqualifikation einen 8. und einen 2. Platz ersegelten. Damit lagen die Belgier nach 2 Tagen schon 13 Punkte vor den mitfavorisierten Argentiniern. Entsprechend schlecht war die Stimmung auf unserem Trainerboot, denn auch die Deutschen fielen eher weiter zurück. Erpenbeck/Meyer segelten ganze 96 Punkte zusammen und rutschten deutlich nach hinten. Jara und Mahela blieben im hinteren Mittelfeld und konnten keine Plätze gut machen. Nach einem hoffnungsfroh stimmenden 24. Platz in der 4. Wettfahrt verpatzten Balder und Kiran die 5. und wurden Fünfzigste. Bei der anschließenden Auswertung am Trainerboot saß der Frust schon tief und der zunehmende Wind wirkte auch nicht stimmungsaufhellend. Die Aufforderung, sich nicht gehen zu lassen, wirkte dann aber Wunder und in der letzten Tageswettfahrt fuhren sie auf den 8. Platz und schoben sich damit im Gesamtklassement auf den 45. Platz vor. Am nächsten Tag fuhr das gesamte Feld raus auf`s Haff, obwohl absehbar war, dass mangels Windes nicht gesegelt werden konnte. Das Wasser war eine einzige grüne Algenbrühe und hinterließ überall hartnäckige grüne Flecken auf Segeln und Rümpfen. Obwohl für den Nachmittag segelbarer Wind angesagt war, wurde der Wettkampftag frühzeitig abgebrochen und gleichzeitig für den nächsten Tag ein Lay Day angekündigt. Damit war klar, wir würden am Samstag und Sonntag versuchen, die restlichen Wettfahrten zu segeln. Die Hoffnung auf ein früheres Ende und eine Rückfahrt bei Tageslicht hatte sich damit erledigt. An der einsamen Entscheidung der Wettfahrtleitung ließ sich auch durch die lautstarken Proteste der deutschen Betreuer nicht rütteln. Für einige Teilnehmer der Promotion hatte das auch eine Abreise vor der letzten Wettfahrt zur Folge, da die Kinder aus Brandenburg schon ihre letzte Ferienwoche hatten. Zum Runterkommen gab es kurz darauf beim englischen Abend, bzw. Nachmittag reichlich „Pimm’s Cup“, wenn auch nur für die Trainer und Betreuer.
Den segelfreien Freitag nutzten wir gemeinsam mit den anderen Güstrower Mannschaften aus dem Promofeld, um uns die größte Burg der Welt anzuschauen: die nur eine Stunde entfernt liegende, vom deutschen Ritterorden begründete Marienburg. Gut 3 Stunden dauerte die gut gemachte Führung mittels Audioguide. Anschließend waren wir genauso fertig, als wären wir den ganzen Tag gesegelt.
Am Samstag starteten wir in die 2. Hälfte der WM und endlich hatten wir auch den Wind, der unseren Teams entgegenkam. Trotz der nur 2 – 3 Windstärken baute sich aber eine kurze unangenehme Welle auf, mit der nicht jeder zurechtkam. Gar nicht zurecht mit dem Start kamen Kiran und Balder die sich am Pinend festfuhren und als nahezu letzte die Startlinie kreuzten. Danach machten sie aber alles richtig. Die Vorgabe der Trainer mit linksdrehendem Wind zu rechnen, setzten sie konsequent um, legten sich links über das gesamte Feld und konnten dann mit dem einsetzenden Linksdreher zur Tonne hochziehen. Als Erste rundeten sie die Luvtonne und verteidigten diese Position anschließend bis ins Ziel. Damit hatten sie zwei Dinge nachgewiesen: auf die Trainer hören kann in seltenen Fällen hilfreich sein und ihre Geschwindigkeit bei diesen Bedingungen reichte aus, um mit den weltbesten Mannschaften mitzuhalten. Zweiter in diesem Lauf wurde das russische Team Vasiljeva/Eliasina, welche bei weniger Wind wieder besser in Fahrt kamen vor Finsterbusch/Barone. In der folgenden Wettfahrt knüpften Kiran und Balder nahtlos an die vorige an, was sowohl den erneut katastrophalen Start betraf, als auch die Seitenwahl und diesmal mit einem zweiten Platz, knapp hinter dem besten australischen Team Allison/Gough endete. Nun sollte man sein Glück nicht überstrapazieren und bei der dritten Wettfahrt des Tages war links die falsche Seite. Prompt kamen unsere Jungs erst im Mittelfeld an Tonne 1 an und so sprang diesmal nur ein 38. Platz heraus. Trotzdem verbesserten sich die beiden deutlich und landeten auf dem 30. Gesamtplatz. Jara und Mahela segelten gleichmäßig Plätze zwischen 33 und 36 heraus und konnten sich nicht wesentlich verbessern. Ähnlich erging es Erpenbeck/Meyer die bei den schwächeren Winden ihre Ambitionen auf eine vordere Platzierung endgültig aufgeben mussten. Dagegen zeigte die Zeuthener Besatzung Malisius/Knobel mit den Plätzen 23 und 25 eine deutliche Steigerung, hatte jedoch auch einen BFD hinzunehmen. Spannend wurde es wieder an der Spitze, da Dirix/Winand am 3. Tag ganze 40 Punkte sammelten, während Finsterbusch/Barone nur 12 einfuhren. Mit zwei Streichern eingerechnet betrug der Vorsprung der Argentinier vor den abschließenden drei Rennen jedoch nur 5 Punkte. Kaum waren die Segler an Land, schnappten sich zum großen Spaß der Kinder die Trainer die Boote und es wurde noch eine Trainerregatta mit ca. 20 Booten ausgetragen. Größtes Handicap war es, drei Segel gleichzeitig bedienen zu müssen. Am Ende gewannen die jüngeren Teilnehmer, welche vor kurzem noch selbst im Cadet gesessen haben.
Um die drei Wettfahrten am abschließenden Sonntag zu Ende zu bringen, wurde der 1. Start auf 11 Uhr gelegt. Das hieß früh aufstehen, da ja nebenbei auch unsere Unterkunft geräumt werden musste. Außerdem wollten wir natürlich rechtzeitig im Hafen sein, um nicht bei der Siegerehrung für die Einzelwettfahrten des Vortages zu fehlen. So bekamen Kiran und Balder ihren verdienten Applaus, als sie zweimal das Treppchen besteigen durften. Der Wind hatte sich zum Vortag kaum geändert und so waren insbesondere unser Jungs frohen Mutes, sich mit einer entsprechenden Leistung vielleicht noch unter die ersten 20 vorsegeln zu können. Nach einem erneut katastrophalen Start in die 10. Wettfahrt konnten sie mit einem 11. Platz ihre gute Leistung vom Vortag bestätigen. Trotzdem hatte der Trainer nach der Wettfahrt nicht nur den Start zu kritisieren, da wäre noch deutlich mehr drin gewesen. Ganz eng ging es an der Spitze zu, wo Finsterbusch/Barone vor Dirix/Winand das Rennen gewannen. Die eigentlich an zweiter Stelle ins Ziel gekommenen Russinnen Vasiljeva/Eliasina wurden wegen Frühstarts disqualifiziert und mussten damit jegliche Ambitionen auf den Weltmeistertitel aufgeben. Zuvor hatten sie eine beindruckende Aufholjagd gestartet. Das zweite argentinische Team mit den beiden erst 13-jährigen Jungs Matias Finsterbusch und Gonzalo Ridolfi belegte einen beachtlichen 4. Rang. In der zweiten Tageswettfahrt kamen Kiran und Balder schon am Start sehr gut weg, hielten sich im Vorderfeld und konnten sich auf der zweiten Kreuz bis auf Position 2 vorarbeiten. Die führenden Australier Hughes/Hooper waren schon etwas außer Reichweite und fuhren einen ungefährdeten Sieg ein, gefolgt von unseren Jungs und einem polnischen Team. Die Entscheidung um den WM-Titel wurde vertagt, da Dirix/Winand als 9. nur einen Punkt auf die führenden Argentinier gut machen konnten. Spannung war also vor dem abschließenden Lauf garantiert. Die potentiellen Titelanwärter konzentrierten sich zunehmend aufeinander und so dominierten andere Mannschaften den letzten Lauf. Am Ende gewannen Vasiljeva/Eliasina (RUS) vor Allison/Gough (AUS) und einem polnischen Team. Kiran und Balder legten nochmal einen 14. Platz nach. Damit waren sie ganz dicht dran, an der WM-Entscheidung, denn 13. und damit 3. der WM wurden die Polen Kajeta/Roszkowski. Nach einer schwachen 1. Kreuz retteten sich Finsterbusch/Barone auf den 11. Platz und verloren damit nur 2 Punkte auf Dirix/Winand, welche mit dem 9. Platz nur noch ihre Silbermedaille absichern konnten. Auf dem deutsch-argentinischen Trainerboot waren wir uns nach dem Zieleinlauf noch nicht ganz sicher, ob wir einen argentinischen Titelgewinn feiern konnten. Wir hatten uns die Punkte nicht notiert und mit den sehr unterschiedlichen Streichern war etwas Rechenarbeit notwendig. Erst nachdem die belgischen Betreuer zum Gratulieren vorbeikamen, wich die Anspannung und es wurde gefeiert. Mit den Nationalflaggen am Mast fuhren die argentinischen Cadets zurück in den Hafen. Zurück im Hafen vergewisserten wir uns, dass die Platzierungen so stimmten. 4 Punkte trennten am Ende die beiden ersten Mannschaften, 16 Punkte dahinter folgte das drittplatzierte polnische Team, nur ganze 2 vor den Russinnen Vasiljeva/Eliasina. Für Jara und Mahela sprang nach einer eher durchwachsenen Leistung am Ende nur der 44. Platz heraus. Kiran und Balder arbeiteten sich am letzten Tag noch auf den 15. Platz vor, waren damit mit Abstand bestes deutsches Team und erreichten seit langem mal wieder eine gute Platzierung für die deutsche Cadet-Klasse. Welches Potenzial bei ihnen vorhanden ist, zeigt sich, wenn man nur die letzten 7 Wettfahrten betrachtet. Da waren sie das drittbeste Team. Aufs Treppchen bei einer WM kommt man aber nur, wenn man bei allen Bedingungen vorne mitsegelt. Das lässt sich nur durch viel Training, besonders auf großen Gewässern erreichen.
Die Siegerehrung war zum Glück etwas stimmungsvoller als die Eröffnung. Kiran und Balder durften sich auf der großen Bühne noch für den 2. Platz in der Tageswettfahrt ehren lassen. Nach der Ehrung der argentinischen Weltmeister und der weiteren Platzierten wurden T-Shirts und Handynummern getauscht, letzte Fotos gemacht und wehmütig Abschied genommen, denn für so manchen jungen Segler ging mit der WM eine tolle Zeit in der Cadet-Klasse zu Ende. Wir starteten dann abends halb 9 den Bus und machten uns auf die zwölfstündige Fahrt Richtung Heimat. Dort angekommen wurde kurz geschlafen, bevor sich unsere vier WM-Teilnehmer im Segellager auf dem heimischen Inselsee gleich der Ausbildung von Segelneulingen widmeten.